MADE BY HAND
Artigianato in Alto Aidge
Südtirols Bauern lebten lange Zeit nahezu autark. Fast alles, was gebraucht wurde, stellte man selbst her. Es wurde gesponnen, geflochten, mit Federkielen gestickt, genäht, gestrickt und geschnitzt.
e Grafschaft Tirol, das Land in den Bergen, hat durch seine ganz spezielle Landschaft mit Bauernhöfen in extremen Lagen und abgeschiedenen Tälern im Laufe der Jahrhunderte eigene Traditionen entwickelt, die auch heute noch dank der Heimatverbundenheit der Südtiroler weiterleben. In Vergangenheit mussten Bauern autark sein, um zu überleben. Grundlagen und Rohstoffe dazu lieferten die Bauernhöfe selbst, mit Tieren, Almen, Feldern und Wäldern. Handwerkliche Fertigkeiten, wie das Holzschnitzen, das Weben und Klöppeln, das Filzen und Walken, waren ebenso notwendig, um über die Runden zu kommen und sich auch etwas Geld dazu zu verdienen. Neben dem traditionellen Handwerk gab es in Südtirol immer schon das Kunsthandwerk. Künstler stellten nach eigenen Entwürfen unverwechselbare Einzelstücke her: Gold- und Silberschmuck, geschnitzte Holzskulpturen oder verzierte Eingangstore. Handwerker- und Künstlerzentren bildeten sich dort, wo die Nachfrage am größten war. Dadurch wurde die wirtschaftliche Lage in einigen Tälern gesichert, beispielsweise durch das Schnitzhandwerk in Gröden, die Schmuckherstellung in Meran oder das Klöppeln im Tauferer Ahrntal.
Ob für den eigenen Gebrauch oder fürs Auge: Etwas aus hochwertigen, lokalen Rohstoffen selber zu machen, hat in Südtirol auch heute noch hohen Stellenwert. Vom Tischler zum Holzbildhauer, vom Weber zum Gold- und Silberschmied. Viele Südtiroler praktizieren es noch Tag für Tag mit viel Herzblut.
Every decade needs its own manual of handicraft.
Liberty Hyde Bailey
DIE HOLZBILDHAUEREI
Die Holzbildhauerei blickt in Südtirol auf eine 400 Jahre lange Tradition zurück. Der künstlerische Anspruch, aus einem Stück Holz etwas Eigenes zu kreieren, wurde vor allem den Bewohnern von Gröden in die Wiege gelegt. Der erste Grödner Bildschnitzer war Christian Trebinger (da Trëbe), geboren um 1580. Seine Söhne und viele Nachfahren folgten ihm auf diesem Berufsweg. Fast gleichzeitig lebte eine zweite Bildhauerdynastie in Gröden, die Vinatzer, die sich großteils mit figuraler Plastik befasste. Die Bildhauerwerkstätten inspirierten auch andere, das reichlich vorhandene Holz der umliegenden Wälder künstlerisch zu bearbeiten. Um 1850 arbeiteten in Gröden bis zu 2.500 Menschen, also jeder zweite Talbewohner, in diesem Handwerk. Zu den Krippen, Heiligenfiguren und Kleinfiguren kamen Tierfiguren hinzu, die bald auch einzeln als Spielzeug nach Europa und Amerika verkauft wurden. Für Gröden einzigartig ist die Vielfalt der Gestaltung, die es dort auf engstem Raum gibt. Einzigartig sind aber auch die eigens entwickelte Technik und die spezielle Arbeitsweise. Waren früher vor allem Kunstwerke für den sakralen Gebrauch wie Altare, Heiligenfiguren oder Krippen gefragt, nahm die Fertigung von Kleinplastiken mit profanem Thema im Laufe der Zeit zu. Verwendet wurde und wird vorwiegend einheimisches Holz – Zirbe, Edelkastanie und Nuss. Im Unterschied zum Holzschnitzer, der Vorhandenes in Handarbeit nachschnitzt, beginnt die Arbeit eines Holzbildhauers bereits beim Entwurf und endet in der Her- und Fertigstellung eines einmaligen Artefaktes.
WOLLVERARBEITUNG
Seit Jahrtausenden wird in den Alpen Schafzucht betrieben. In Südtirol werden etwa 45.000 Schafe gehalten, wobei das Tiroler Bergschaf und das ihm nah verwandte Schwarzbraune Bergschaf am weitesten verbreitet sind. Bei der Schafschur wird das hochwertige Wollvlies gewonnen, das aus dem lose zusammenhängenden Deckhaar der Schafe besteht. Dieses wird gewaschen, wobei der natürliche Fettgehalt, das Lanolin, bewahrt wird. Dadurch perlt Feuchtigkeit an Wolle ab. Danach wird die Rohwolle gekämmt, im Fachjargon »kardiert«, um dann zu einem Faden gesponnen zu werden. Dieser wird dann durch Stricken oder Weben zu einem Wollstoff weiterverarbeitet.
SPITZENKLÖPPELN
Not macht immer erfinderisch, auch schon Ende des 19. Jahrhunderts als im Ahrntal das Kupferbergwerk schloss und viele Familien ohne Arbeit ließ. Der damalige Pfarrer Pescosta schickte drei Frauen zu dem berühmten k.u.k. Zentralspitzenkurs nach Wien, um das Klöppeln zu erlernen. Seit damals werden in Prettau wunderschöne Spitzen hergestellt, die man heute zum Zieren von Trachten, als Christbaumschmuck, für Tischdecken, Vorhänge und Bettwäsche und vieles mehr einsetzen kann. Beim Klöppeln handelt es sich um ein Handwerk zum Herstellen von Spitzen. Leinengarn-Fäden werden auf dem Klöppelkissen, dem »Pinggl«, festgesteckt. An den Fadenenden hängen die Klöppel, eine Art Spulen, mit deren Hilfe durch Eindrehen ein Muster entsteht.
FEDERKIELSTICKEREI
Pfaue waren früher auf vielen Südtiroler Bauernhöfen heimisch, weil sie als natürliche »Alarmanlage« fungierten und auch Schlangen fraßen. Heute sieht man sie eher selten. Vor mehr als 200 Jahren hat man im Sarntal, nördlich von Bozen, begonnen aus den Federkielen der abgestoßenen Pfauenfedern Stickereien auf Leder zu machen. Sie waren und sind sehr wertvoll, weil das Federkielsticken sehr zeitaufwendig ist und es ganz besondere Geschicklichkeit verlangt. Besonders wertvoll sind die Federkielgürtel vieler Männertrachten, für deren Anfertigung man auch 2 bis 3 Jahre warten muss. Beliebt sind heute neben den traditionellen Trachtenteilen, auch bestickte Brieftaschen, Schlüsselanhänger und Handtaschen, die oft mit individuellem Namenszug versehen werden.
FASSBINDER
Eiche ist die gängigste Holzart, die für die Herstellung der Weinfässer verwendet wird. Der größte Arbeitsaufwand liegt nicht beim Binden der Fässer – dies dauert etwa zwischen 10 und 14 Tagen -, sondern bei der Lagerung des Holzes. Zwei bis vier Jahre lange wird das wohlgewählte Holz gelagert und jeder Witterung ausgesetzt, bis es weiterverarbeitet werden kann. Im Optimalfall wird das Weinfass an die charakteristischen Eigenschaften des Weines angepasst, den es lagern soll. Und dies können nur geschulte Fassbinder. Viele Weinkellereien bevorzugen auch heute noch die von Hand gefertigten Barriquefässer gegenüber den industriell hergestellten.
KUNSTWEBEREI
Bergbauernhöfe waren autark. Hier wurde auch weitgehend Flachs angebaut und in mühseliger Handarbeit Leinen gewonnen. Dieses wurde dann zu Stoff gewoben für Hemden, als Bettlaken oder als Unterlage beim Brotbacken. Nur wenige Bauernhöfe besaßen aber selbst einen Webstuhl, sodass Weber von Hof zu Hof wanderten. Mit der Zeit entwickelten sich aus den Wanderwebern eigene Werkstätten, einige von ihnen blicken auf eine Jahrhunderte alte Familiengeschichte zurück. Auch heute gibt es noch einige einzelne Webereien und Handwerker, welche die Kunst der Weberei traditionell fortführen.